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Chickpeace

Integration geht durch den Magen

Die Preisträgerinnen des Genuss-Michel für Nachhaltigkeit: Der Cateringservice Chickpeace beliefert Hamburg mit arabischer Hausfrauenkost. Zubereitet werden die orientalischen Gerichte von zugewanderten Frauen

7. Mai 2025 von Johanna Zobel

Das Team von Chickpeace wurde in diesem Jahr mit den Nachhaltigkeitspreis der SZENE HAMBURG ausgezeichnet / ©Johanna Zobel
Das Team von Chickpeace wurde in diesem Jahr mit den Nachhaltigkeitspreis der SZENE HAMBURG ausgezeichnet / ©Johanna Zobel

An einer runden Kücheninsel stehen vier Frauen, sie tragen schwarze Schürzen mit weißem Schriftzug und grüne, graue und rosa Kopftücher. Sie schneiden Koriander und Kartoffeln, formen Falafel und drehen Spinatrollen. Jeder Handgriff sitzt, das Miteinander ist vertraut. Die Frauen sind aus dem arabischen Raum nach Hamburg gekommen. Gemeinsam kochen sie die Speisen, die sie aus ihrer Heimat kennen: Mezze wie Hummus, Thabouleh, Muhammara, Falafel, Yalanji, aber auch Suppen wie die klassische arabische Linsensuppe. Man merkt, ihnen gefällt, was sie tun. Nicht ohne Grund nehmen sie den Teils sehr weiten Weg nach Heimfeld auf sich, um für den Catering-Service Chickpeace zu kochen. 

Hinter dem Catering steckt Manuela Maurer, sie gründete 2009 den Verein „PONTON 3“ mit diesem sie sich seither für Menschen einsetzt, die am Rande der Gesellschaft stehen. Durch ihr privates Engagement entstand Chickpeace: „In der Wohnunterkunft in Harburg lebten viele Frauen mit kleinen Kindern, die kaum Zugang zu Sprachkursen hatten – entweder weil es keine gab oder weil sie ohne Kinderbetreuung schlicht nicht teilnehmen konnten. Aus diesem Mangel heraus habe ich begonnen, Sprache über gemeinsame Aktivitäten wie das Kochen zu vermitteln – direkt vor Ort, im Alltag“, so Maurer. Es folgten gemeinsame Besuche auf dem Wochenmarkt mit anschließendem Kochen.

2017 wurde ein Kontakt über Maurers Verein darauf aufmerksam und fragte, ob sie nicht auch für andere kochen wollen. Bei ihrem ersten Auftrag, einem Sommerfest für ein Unternehmen, bekochten die Frauen gleich 70 Gäste. „Das war so toll für beide Seiten“, erinnert sich Maurer. Es folgten weitere Anfragen. „Wir haben anfangs improvisiert: Ich habe eingekauft, die Caterings ausgefahren, meine Wohnung wurde zum Gastro-Lager, das war echt abenteuerlich. Dann haben wir das am Verein angedockt.“ Heute catert Chickepeace bei Hochzeiten, christlichen Festen, Beerdigungen, Junggesellenabschieden, Geburtstagen, Firmenfeiern und Aufträgen bei Behörden und Politik.

Bis zum kommenden Jahr ist Chickpeace noch in Heimfeld ansässig, dann zieht der Catering-Service zum ersten Quartal 2026 ins Neue Amt Altona. Neben der Produktionsküche entsteht hier auch eine eigene Kantine. „Die Cantina ist ein Ort für die Tagesverpflegung, soll aber auch ein Ort für Begegnung, Bildung und Qualifizierung werden“, sagt Maurer. „Viele Menschen bringen so wertvolle Kompetenzen mit, erreichen aber die formalen Anforderungen – wie etwa ein B1- oder C1-Zertifikat – nicht. Um dieser Gruppe dennoch den Zugang zum Arbeitsmarkt – und nicht zum Niedriglohnsektor – zu ermöglichen, braucht es Wege, wie vorhandene Fähigkeiten gestärkt und weiterentwickelt werden können – auch jenseits klassischer Strukturen“, weiß Maurer. Neue Wege seien notwendig, um diese Menschen zu begleiten und in den Arbeitsmarkt zu führen. „Ich glaube, wir sind ein sehr gutes Beispiel, wie das gelingen kann“, so Maurer. „Alle Frauen, die bei uns arbeiten, sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, komplett weg von staatlicher Leistung, stehen auf eigenen Füßen – und das auch schon lange.“

Neben der sozialen Teilhabe beschäftigt sich Chickpeace auch mit der Kreislaufwirtschaft. Anschließend an die neue Produktionsküche am künftigen Standort soll etwa eine Kompostanlage entstehen. Schon jetzt stammen Produkte unter anderem von lokalen Höfen wie dem Wilkenshoff. So sind traditionelle Gerichte auch mal mit regionalen Zutaten neu interpretiert: „Wir haben zum Beispiel das klassische Baklava mit Walnüssen gefüllt, aber auch ein Apfel-Baklava“, sagt Maurer. „Die Frauen kochen jeden Tag, als würden sie für ihre eigene Familie kochen. Das machen sie mit voller Hingabe, Zuwendung und ganz viel Stolz“, fährt sie fort. Das zu erleben, sei für Maurer jeden Tag eine ausnahmslos große Freude – diese Freude vermittelt die Sozialarbeiterin auch anderen, wenn sie über das Projekt und die Frauen spricht. Für Maurer ist wichtig, dass Chickpeace den Charakter eines Familienunternehmens behält. „Lieber sollen an anderen Orten weitere Chickpeace entstehen, vielleicht auch mit anderer Küche“, sagt sie.

Portrait von Johanna Zobel

Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.