3 Minuten Lesedauer / Kolumnen

Rindchens Weinkunde

Was ist eigentlich ein Cuvée?

Gerd Rindchen macht Schluss mit dem Vorurteil, dass nur rebsortenreine Weine ein Genuss sind. Sogenannte Cuvées, die Mischung verschiedener Rebsorten, haben geschmacklich einiges zu bieten

Auch die Mischung von Rebsorten kann dem Gaumen schmeicheln / ©Unsplash/Hermes Rivera
Auch die Mischung von Rebsorten kann dem Gaumen schmeicheln / ©Unsplash/Hermes Rivera

In Deutschland geht man ja immer davon aus, dass „rebsortenreine“ Gewächse, also Weine, die nur aus einer Traubensorte gekeltert sind, das Maß aller Dinge sind. Stehen mehrere Traubensorten auf dem Etikett, wird das von vielen Weinfreunden hierzulande schon misstrauisch beäugt. Dabei ist das in dieser Pauschalität ziemlicher Blödsinn. In den traditionellen südeuropäischen Weinbauländern ist die Philosophie der rebsortenreinen Weine als Maß aller Dinge nicht so verbreitet – und das ist auch gut so. Hier weiß man seit Jahrhunderten, dass sich die Eigenschaften und Fähigkeiten verschiedener Rebsorten im Team hervorragend ergänzen können. Also „verschneidet“ man verschiedene Rebsorten miteinander, oder einfacher ausgedrückt, man mischt sie. Dieser Verschnitt oder diese Mischung heißt dann „Cuvée“, und der Vorgang wird sehr vornehm als „cuvétieren“ bezeichnet. Richtig und kompetent gemacht ist ein Cuvée-Wein eine ganz große Kunst, da hier das Händchen des Kellermeisters gefragt ist, der Charakter und Qualität entscheidend mitprägt. Das ist wie beim Kochen, wo die leckersten Gerichte auch durch das Zusammenspiel verschiedener Gewürze und Aromen in Verbindung mit den Grundprodukten zu ihrer Vollendung gelangen. So sind zum Beispiel einige der teuersten Weine der Welt, die großen klassifizierten Bordeaux, wo eine Flasche auch mal mehrere tausend Euro kosten kann, fast immer Cuvées.

Man sollte sich also von der Vorstellung lösen, dass nur ein rebsortenreiner Wein ein guter Wein ist! Ein mieser Riesling oder Merlot wird nicht dadurch besser, dass er nur aus einer Traubensorte besteht. Und eine kunstvoll komponierte Cuvée aus fünf verschiedenen Traubensorten kann zu den besten Weinen der Welt gehören.

Die wichtigsten „Cuvée-Familien“

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich gezeigt, dass sich bestimmte Rebsorten hervorragend ergänzen. Sie werden gerne zu Cuvées vereinigt. Eine Hochburg haben die klassischen Cuvées im Mutterland der heute verbreiteten Weinkultur: in Frankreich. Und das sind die wichtigsten Cuvée-Typen – die übrigens ausnahmslos alle den Sprung in viele andere Länder der Weinwelt, wie beispielsweise Südafrika, Australien oder die USA geschafft haben:

– Die „Bordeaux Weiß-Cuvée“: Sie besteht hauptsächlich aus den Rebsorten Sauvignon, und Sémillon, gelegentlich ergänzt durch Muscadelle.

– Die „Bordeaux Rot-Cuvée“: Klassischerweise das erprobte Trio aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot. Dazu gelegentlich als besondere „Würze“ die seltene, edle Rebsorte Petit Verdot oder die ursprünglichen Bordeaux-Reben Malbec, heute die Leitrebsorte Argentiniens, und Carmenère, die mittlerweile vor allem in Chile reüssiert.

– Die „Südfrankreich-Cuvée“: Viel Rhôneweine wie auch etliche Gewächse aus dem Languedoc-Roussillon basieren ganz wesentlich auf einer Grundcuvée aus Syrah (Shiraz) und Grenache (Garnacha), ergänzt durch seltenere regionale Traubensorten wie Carignan, Mourvèdre oder Cinsault

Der „bezeichnungsunschädliche Verschnitt“

Häufig ist es ja so, dass sich Weine verschiedener Rebsorten in ihren Eigenschaften und Fähigkeiten wunderbar ergänzen. Auf der anderen Seite möchten aber die Menschen gerne den Namen einer Rebsorte auf dem Etikett lesen, weil sie dies als Qualitätsmerkmal wahrnehmen. Daher gibt es im deutschen Weingesetz und seinen meisten internationalen Pendants den nicht sonderlich vertrauenerweckenden Begriff des „bezeichnungsunschädlichen Verschnitts“. Was im ersten Moment so unseriös klingt, versetzt aber in Wirklichkeit die Winzer in die Lage, behutsam die Defizite eines Weines mit einem anderen Wein auszugleichen oder „abzuschmecken“. Bis zu 15 Prozent Beigabe einer zweiten Rebsorte oder eines anderen Jahrganges sind erlaubt, ohne dass es auf dem Etikett deklariert werden muss. Natürlich kann ein Kellermeister das ausnutzen, um beispielsweise seinen begehrten Grauburgunder mit 15 Prozent irgendeiner Ladenhüter-Rebe, die keiner haben will, zu strecken. Aber qualitätsbewusste Winzer setzen diese Möglichkeit eher ein, um Weine leckerer und besser zu machen. In einem Jahr, das in den Reben wenig Säure hervorgebracht hat, kann beispielsweise einem Weiß- oder Grauburgunder ein Schuss knackiger Riesling richtig auf die Sprünge helfen. So mancher Muskateller wird durch ein wenig aromatischen Traminer noch runder und interessanter. Und die tiefdunkle Dornfelder-Rebe (eine der großen Verirrungen der Weingeschichte) wurde ohnehin ursprünglich nur gezüchtet, um blassfarbenen deutschen Rotweintrauben à la Portugieser oder Trollinger zu etwas mehr Farbe zu verhelfen. Sie können also Ihre Weintrinker-Freunde mit einem verschwörerisch gemurmelten „Wusstet Ihr eigentlich schon, dass es einen bezeichnungsunschädlichen Verschnitt gibt?“ in Angst und Schrecken versetzen, sollten sie aber anschließend flugs darüber aufklären, was es damit für eine Bewandtnis hat.

Porträt von Gerd Rindchen

Gerd Rindchen begann sich 1977 mit Wein zu befassen, als er mit seinem VW-Bus „Traugott“ Wein aus der Pfalz nach Bremerhaven schaffte und dort an die Freunde seiner Eltern verkaufte. Nach der Übersiedlung nach Hamburg 1978 entstand daraus das Unternehmen „Rindchen´s Weinkontor“, das 2017 verkauft wurde. Seit 1981 ist Gerd Rindchen publizistisch tätig, überwiegend zu den Themen Kulinarik und Wein. Er veröffentlichte dazu auch einige Bücher, unter anderem „Crashkurs Wein“, „Crashkurs Essen & Wein“ und „Rindchen kocht“.

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