Es war eine umstrittene Überlegung: Soll die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent angehoben werden? Schließlich war der Steuersatz für Speisen in Restaurants und Cafés im Zuge der Corona-Pandemie auf sieben Prozent gesenkt worden, um die stark gebeutelte Gastronomie zu entlasten. Diese Regelung wurde aufgrund der Energiekrise sowie der anhaltenden Inflation mehrfach verlängert. Obwohl die Stimmen gegen eine geplante Erhöhung in den vergangenen Wochen sehr laut waren, hat sich die Ampel-Koalition für die Erhöhung entschieden.
Erst Corona, dann Energiekrise – nun Gastro-Krise?
Mit dem neuen Jahr kommen nun also wieder erhöhte Kosten für Gastronominnen und Gastronomen und letztendlich auch auf Restaurantgäste zu. Von vielen Seiten, unter anderem vom Cateringprofi Koral Elci, hört man laute Kritik, dass ein Unterschied zwischen Essen im Restaurant und Essen zum Mitnehmen gemacht wird, das niedriger besteuert wird. Auch Lieferdienste und Produkte im Supermarkt werden nur mit sieben Prozent besteuert. Ob die Gastronomie die höheren Steuern jetzt auf den Gast abwälzt oder in Zukunft weniger Gewinn pro Gericht machen wird, hängt letztendlich vom Betreibenden ab. Wir haben uns in der Gastronomie umgehört.
Das sagt Hamburgs Gastro
Koral Elci, KitchenGuerilla:
„Nichts ist fairer und selbstverständlicher als eine Portion Pommes genauso zu besteuern wie eine rohe Kartoffel. Sieben Prozent Mehrwertsteuer für die Gastronomie müssen erhalten bleiben! Wenn die sieben Prozent nicht beibehalten werden, führt dies zu einer Zunahme von Insolvenzen und Arbeitslosigkeit. In Folge dessen werden Steuereinnahmen in Form von Arbeitslosengeld ausgegeben.“

Sophie Lehmann, 100/200 kitchen:
„Die Mehrwertsteuer-Anpassung ist so wenig überraschend wie die sich immer wieder bestätigende Erkenntnis, dass Esskultur und Gastronomie in Deutschland nicht ansatzweise den Stellenwert haben, den sie haben sollten. Wir werden in den nächsten Monaten erleben, wie viele Läden schließen – und nicht wieder öffnen werden.“
Leslie Himmelheber, Lenz Restaurant
„Ich hab mir die Zahlen von 2022 angesehen und ausgerechnet, welche Mehrbelastung ich mit 19 statt sieben Prozent gehabt hätte. Die Zahl, die da herauskommt, ist utopisch. Ich kann gar nicht anders, als die Preise zu erhöhen. Alles wird teurer, auch die Kosten für Produkte aus dem Ausland, die Löhne. Im Dezember werden die Umsätze sicherlich noch in Ordnung sein, aber im Januar und Februar werden wir einen massiven Einbruch erleben. Viele meiner Stammgäste sind sehr mitfühlend, sagen aber auch, dass sie nicht mehr so häufig kommen können, wenn alles teurer wird.“
Niemand kann die zwölf Prozent einfach so schlucken“
Anne Ratjen, Inhaberin Zur Erholung
Anne Ratjen, Zur Erholung in Uetersen:
„Wir werden die zwölf Prozent nicht direkt auf jeden Preis aufschlagen, sondern das je nach Posten und je nach Veranstaltung abwägen. Bei Angeboten, die wir schon jetzt für 2024 geschrieben haben, haben wir die Info ergänzt, dass wir die Preise eventuell noch mal anpassen müssen. Die erhöhte Mehrwertsteuer bedeutet leider, dass noch mehr Menschen seltener Essen gehen werden. Wenn ich mit anderen Gastronominnen und Gastronomen spreche, merke ich, dass es bei wenigen wirklich gut läuft. Niemand kann die zwölf Prozent einfach so schlucken.“

Hendrik Olschewski, StrandPauli
„Wir bedauern diese Entscheidung! Es ist unverständlich, weshalb wir als Ort der Begegnung nun gegenüber den Lieferdiensten und Drive-in-Ketten wieder schlechter gestellt werden. Auf diese Weise verpasst der Gesetzgeber die Gelegenheit, sterbende Innenstädte mithilfe der Gastronomie neu zu beleben.“
Christin Siegemund, foodlab
„Sind Gäste bereit, noch mehr für gute, handgemachte Produkte zu zahlen? Für viele Menschen bedeutet die Preissteigerung, dass sie ab kommendem Jahr weniger essen gehen werden und dass es ein Luxusgut wird! Die Politik wird auf dem Rücken der Gastronomie ausgetragen, dabei war es die Gastronomie, die die Menschen nach der Pandemie wieder zusammengebracht hat! Uns im foodlab fällt sicherlich etwas ein, aber ich mache mir große Sorgen, was nächstes Jahr alles passiert. Man hört von so vielen Insolvenzen, daher mein Appell: Bitte geht weiterhin essen, denn sonst gibt es in Zukunft vielleicht nicht mehr so viele kleine Betriebe.“

Wir brauchen eine faire Steuerpolitik, um die Vielfalt in der Gastronomie zu bewahren
Hannes Schröder, Küchenfreunde, Was wir wirklich lieben, Botanic District
Hannes Schröder, u.a. Küchenfreunde, Herzstück (Was wir wirklich lieben), Botanic District
„Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auch wieder ausgeglichen werden muss. Aber die aktuelle Situation in der Gastronomie, insbesondere für kleinere Betriebe, erfordert eine grundsätzliche Überprüfung der Steuersätze. Die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent war zu Beginn der Coronakrise ein wichtiger „Rettungsanker“ für die Gastronomiebranche und hat uns geholfen, durch diese extrem schwierige Zeit zu kommen. Mittlerweile haben wir uns davon wieder einigermaßen erholt, doch nach der Pandemie erwartete uns ja bereits die nächste Krise. Die steigenden Energiepreise machen uns ebenfalls schwer zu schaffen. Das gesamte Wirtschaftsumfeld hat sich verändert, die Lebensmittel sind elementar teuer geworden und am meisten leiden die kleineren Gastronomiebetriebe, zu denen auch wir gehören, darunter. Meines Erachtens müssen die Politik und Gesellschaft insbesondere auf die kleinen Gastronomiebetriebe Rücksicht nehmen. Sie agieren mit viel Herzblut und Engagement und sind ein wichtiger Bestandteil unserer kulinarischen Kultur. Gastronomie ist Lebensart und diese gilt es zu schützen!
Die Anhebung der Steuersätze auf 19 Prozent steht nicht im Einklang mit den aktuellen Herausforderungen,. Es ist damals wie heute ungerecht, dass im Supermarkt zubereitete Speisen mit sieben Prozent besteuert werden, während in der Gastronomie 19 Prozent gelten. Es braucht eine neue Steuergerechtigkeit, die den aktuellen Realitäten gerechter wird. Deshalb würde ich absolut dafür plädieren, die Mehrwertsteuer ganzheitlich neu zu definieren und für alle zu vereinheitlichen.
Ich denke nicht, dass der aktuelle Steuerbeschluss zu Mehreinnahmen beiträgt. Es besteht mehr denn je die Gefahr, dass sich weniger Menschen den Genuss der Gastronomie leisten können.

Sven Brechtmann, Brechtmanns Bistro
„Im Brechtmanns Bistro sehen wir die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie mit großer Sorge. Diese Änderung zwingt uns dazu, die Preise für unsere Speisen deutlich anzupassen. Eine Entwicklung, die nicht nur unseren Betrieb, sondern vor allem die Gäste betrifft. Es ist eine harte Realität, dass der Restaurantbesuch – nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Berufskollegen – für viele Menschen weniger erschwinglich werden könnte.
Persönlich, als Koch und Restaurantbetreiber, mache ich mir tiefe Sorgen über die langfristigen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Gastronomielandschaft. Die erhöhte Mehrwertsteuer, zusammen mit den steigenden Energie- und Rohstoffkosten, stellt eine beträchtliche Belastung dar. Sie macht es nicht nur schwerer, unsere Kalkulationen zu bewältigen, sondern gefährdet auch die Qualität und den Service, den wir den Gästen bieten wollen. Wenn man über die Grenzen schaut, sieht man, dass ein reduzierter Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie in anderen EU-Ländern erfolgreich dazu beiträgt, Qualität zu sichern und faire Preise zu ermöglichen. Ein solcher Ansatz könnte auch für unser Land ein Vorbild sein.“
Johannes Riffelmacher, Salt & Silver
„Eine sehr frustrierende Entscheidung. Der Kostendruck für Restaurants nimmt durch die ineinander laufenden Krisen schon seit Corona von Jahr zu Jahr zu. Kaum eine inhabergeführte Gastronomie, die ich kenne, erwirtschaftete in den vergangenen Jahren schwarze Zahlen. Da aber unsere Preise schon so knapp kalkuliert sind, dass für uns nur eine niedrige einstellige Marge übrig bleibt, sehe ich bisher keine andere Möglichkeit, als erneut die Mehrkosten auf den Verkaufspreis der Speisen aufzuschlagen. Was sicher dazu führen wird, dass weniger Gäste sich einen Besuch bei uns leisten können. Dadurch werden wir noch mehr finanziell unter Druck geraten. Eine Zwickmühle, für die wir bisher keine Lösung haben. Für viele von uns Gastronomen ist es unverständlich, dass nicht diejenigen Konzerne und Wirtschaftszweige zur Kasse gebeten werden, die seit Krisenbeginn Rekordgewinne einfahren, während wir seit Jahren um unsere Existenz kämpfen und nun unseren Gästen noch höhere Preise für einen Restaurantbesuch zumuten müssen.“

Auch die Hamburger Politik hat sich laut gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen
Schon vor einigen Wochen haben sich Vertreterinnen und Vertreter der Hamburger Parteien sowie der DEHOGA vermehrt gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie ausgesprochen. In dem Zuge vermutete Ulrike von Albedyll, Landesgeschäftsführerin der DEHOGA Hamburg, sogar, dass die „Steuererhöhung eine Katastrophe für die Betriebe“ sei.