Text: Alina Fedorova
Seit Jahrhunderten gelten Cafés als Räume des sozialen Austauschs und Orte der Inspiration. In Pariser Kaffeehäusern formierte sich die Französische Revolution, in Wiener Salons trafen sich Denker, Dichter und Künstler. Gerade heutzutage sehnen sich viele nach genau solchen Orten zum Ankommen, fernab des hektischen Alltags. Doch der Trend wandelt sich immer mehr zum schnellen und günstigen Coffee to go. Vor allem die Kette Lap Coffee sorgt gerade wegen ihrer Dumpingpreise für Gesprächsstoff: ein Cappuccino für zwei Euro – per Knopfdruck aus dem Vollautomaten, im Pappbecher zum Mitnehmen. Das Café, einst soziales Zentrum, wird somit immer mehr zur Durchgangsstation. Und wir bewegen uns hin zu einer Kaffeekultur, in der die Maschine wichtiger wird als der Mensch.
Die Frage nach dem Wert einer Tasse Kaffee stellt sich dringlicher denn je. Laut Statistischem Bundesamt sind die Importpreise für Rohkaffee im April 2025 um mehr als 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Extreme Wetterlagen und Ernteausfälle machen Kaffee teurer und knapper. Das zeigt sich längst an der Kasse: Ein Cappuccino im unabhängigen Spezialitäten-Café kostet fünf Euro oder mehr. Lap Coffee hingegen wirbt mit der „Demokratisierung des Kaffeegenusses“ – und trifft damit einen Nerv. Doch hinter den kleinen blauen Läden stehen mit HV Capital, FoodLabs und Roundtable große Investoren, die mit Dumpingpreisen und enormem Marketing-Budget die Spielregeln neu schreiben.
Inhabergeführte Cafés, die auf Individualität, Transparenz und Handwerk setzen, können da kaum mithalten. Doch diese Orte, die die Zubereitung von Kaffee als Zeremonie verstehen und ein Ambiente des sozialen Miteinanders schaffen, erfordern gerade in Zeiten von steigenden Mieten und Personalkosten einen angemessenen Tribut. Ein zentraler Teil des Erfolgsrezepts bei Lap Coffee jedoch ist weniger der Kaffee selbst, sondern das Image. Mit dem Slogan „Life among People“ (zu deutsch „Leben unter Menschen“) und cleveren Social-Media-Kampagnen wird eine Gemeinschaft inszeniert, die in erster Linie auf Instagram existiert. Sitzplätze sind kaum vorhanden, das To-go-Prinzip spricht eine klare Sprache: Menschen sollen möglichst oft „ins LAP“ kommen und schnell wieder gehen – um Platz für die nächsten zu machen.
Dabei kann das kleine Café um die Ecke eine Oase in einer schnelllebigen Welt sein – ein Ort zur Entschleunigung und echter Begegnung. Vor allem Spezialitäten-Cafés erheben Kaffee wie Wein oder Craftbeer zu einem Kulturgut und machen den Cafébesuch für viele zu einem bewussten Ritual mit allen Sinnen. Wenn unsere Städte jedoch nur noch von seelenlosen Kaffee-Ketten gepflastert sind, verliert unsere Café-Szene ihre Vielfalt – und die Kaffeekultur ihre Menschlichkeit. Am Ende geht es also nicht nur um den Preis einer Tasse Kaffee, sondern um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: eine, die von schnelllebigem Konsum bestimmt wird oder eine, die Räume für Begegnung, Handwerk und Gemeinschaft bewahrt.