Joshua, wie war die Verleihung in Frankfurt?
Joshua Stagraczynski: Die Verleihung des Guide Michelin war ein ganz besonderer Moment für uns. Zum ersten Mal im Rahmen des Guide Michelin getestet, gelistet und schlussendlich geladen zu werden, ist eine große Ehre und Freude. Die jährliche Veranstaltung begrüßt die bekanntesten und anerkanntesten Gesichter unserer Branche. Es war schön, Teil dieser Menschen zu sein und Kolleg:innen sowie Mentor:innen aus vergangenen Jahren zu treffen und sich auszutauschen. Als kleines Hamburger Restaurant macht es Spaß dabei zu sein, sich gemeinsam auch über die Stadtgrenzen hinaus auszutauschen und darauf anzustoßen. Wenn man dann erst mal in den Saal kommt, die majestätische Musik hört und sich auf seinen Platz setzt, dann fängt die Nervosität an und die Magie nimmt ihren Lauf. Paul und das Koer auf dieser Leinwand zu lesen, der Vulkanausbruch an Emotionen – das kann man nicht beschreiben.
Was bedeutet euch der Stern?
Joshua Stagraczynski: In den letzten Monaten habe ich gemerkt, wie mystisch und vorurteilsbehaftet diese Auszeichnung zu sein scheint. Von Gastronomie und von Gastseite habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Thema hitzig diskutiert und sehr emotional aufgeladen ist. Ich habe Verständnis für diese Neugierde, wundere mich nur meistens über die Vorurteile und starken Meinungen. „Wollt ihr das überhaupt?“, „Ich will gar keinen Stern, auch wenn ich könnte!“, „Werden dann die Preise teurer und die Portionen kleiner?“, „Ist das überhaupt wirtschaftlich?“, „Ich habe gehört, viele geben den ab, weil sie den Stress nicht haben wollen.“ Ich könnte endlose Beispiele nennen.
Für uns steht diese Auszeichnung für Anerkennung und Wertschätzung. Man kann den Titel nicht kaufen oder erwerben. Man muss dafür Leistung bringen und überzeugen.
Für uns steht diese Auszeichnung für Anerkennung und Wertschätzung. Man kann den Titel nicht kaufen oder erwerben. Man muss dafür Leistung bringen und überzeugen. Die Küche um Kai Fleschen, Lucas Müller, Gabriel Schwarz und Ella Kuhn arbeitet täglich sehr hart an unserem Menü und der Kulinarik dahinter. Als Service-Mensch ziehe ich meinen Hut vor unserem Team und der Leistung und Motivation jedes Einzelnen dieser Brigade. Paul Decker hat es als Küchenchef geschafft, dies zu verantworten.
Im Kollektiv dürfen wir als gesamtes Restaurant stolz auf diese Anerkennung sein und dankbar zurückblicken auf die Reise, die wir beschreiten. Auch an vergangene Kolleg:innen wie Moritz Schulte und Julia Engel gilt diese Anerkennung und Wertschöpfung auszusprechen. Der Stern ist ein Symbol und ein Meilenstein für uns: anfangs als Traum, später als Ziel, jetzt als Mindset. So hat es Tohru Nakamura (Anm. der Redaktion, Inhaber und Küchenchef des mit drei Sternen ausgezeichnete Restaurant Tohru) am Dienstag auf der Bühne gesagt und wir stimmen ehrwürdig ein in diesen Kanon.
Habt ihr bewusst darauf hingearbeitet?
Joshua Stagraczynski: Alles im Leben ist ein stetiger Prozess. Vor 21 Monaten haben wir im Alter von jeweils 29 Jahren das Koer mit dem Wunsch eröffnet, einen gemütlichen Ort zu schaffen, an dem Anspruch und Qualität im Rahmen von Gastfreundschaft und Atmosphäre aufeinander treffen. „Es soll Spaß machen!“ ist unser Leitspruch. Spaß auf dem Teller, Spaß im Glas und natürlich auch im Austausch mit den Gastgeber:innen. Ehrgeiz und Leidenschaft führen uns zu dem, was wir heute präsentieren. Ehrlicherweise hatten wir einen Stern nicht anvisiert. Paul tut sich sogar noch immer schwer mit dem Begriff Gourmetrestaurant!
Als das Formular vom Guide Michelin per Mail kam, wurde eine neue Tür und Dimension geöffnet.
Wir spielen keine falsche Scheu vor und sind stolz auf die Leistung. Anfangs hätten wir uns das aber wahrscheinlich nicht in dem Konzept zugetraut oder als Ziel gesetzt. Als das Formular vom Guide Michelin per Mail kam, wurde eine neue Tür und Dimension geöffnet, die uns gezeigt hat, dass alles drin ist, wenn wir uns selber treu bleiben. Paul ist seitdem er 16 Jahre alt ist in dem Beruf tätig und wollte mit 30 selbstständig sein. Jetzt darf er sich mit 31 als frisch gebackenen Sternekoch bezeichnen. Sein Drive, sein Talent und seine Fähigkeiten sind maßgeblich verantwortlich, dass wir uns so entwickelt haben, dass wir darauf hinarbeiten konnten, ohne es aktiv zu wollen oder auszusprechen.
Was wird sich mit dem Stern für das Koer ändern?
Joshua Stagraczynski: Wir wollen uns treu bleiben. Handwerk und Kreativität, Gastfreundschaft und Wohnzimmer-Atmosphäre. Nach dem Stern ist vor dem Stern. Wir hoffen, dass unsere Gäste weiterhin unseretwegen kommen – bringt Spaß mit, Neugierde und ein Quäntchen Offenheit.
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