Gastroexperte Kemal Üres zieht gerade die Notbremse gegen die Krise – und zwar mit Glühwein. Während die Adventszeit auf Hochtouren läuft und sich Weihnachtsmärkte landauf, landab füllen, schaut die Gastrobranche weiter nervös auf Kosten. Steigende Preise für Energie, Personal und Einkauf und die schwierige Wirtschaftslage bringen die Branche unter Druck. Für etliche Betriebe sei das Weihnachtsgeschäft darum entscheidend, ob das neue Jahr mit einem soliden Polster startet oder mit Bauchschmerzen.
Ein gut geführter Glühweinstand macht in vier bis fünf Wochen mehr Umsatz als manche Gastronomen im ganzen Sommer
Kemal Üres
Üres, selbst Gastronom, Coach und Genuss-Guide-Podcaster, bringt es ziemlich unmissverständlich auf den Punkt: „Wer durch die Weihnachtsmärkte keinen Umsatz verlieren will, muss selbst aktiv werden und weihnachtliche Konzepte kreieren.“ Sein Mantra: „Ein gut geführter Glühweinstand macht in vier bis fünf Wochen mehr Umsatz als manche Gastronomen im ganzen Sommer.“ Und damit meint er nicht irgendeine Hütte mit rotem Zuckerwasser. Atmosphäre, Storytelling, kreative Konzepte – das könnte ein echter Wintermagnet werden. „Die Zeiten von 08/15-Gastro sind vorbei“, sagt er.
Dass der Mann weiß, wovon er spricht, zeigt sein eigenes Winterprojekt: Seit 13 Jahren betreibt Üres einen der längsten Glühweinstände Hamburgs – mitten auf der Fleetinsel, mit über 20 Metern Tresenlänge und einer Logistik, die eher nach mittelständischem Betrieb klingt. Der Stand zählt zu den Umsatzkönigen des Marktes, was nicht nur an der Frequenz liegt, sondern am durchdachten Konzept dahinter. Für Üres ist das ein Paradebeispiel dafür, wie Gastronomen sich ein zweites Standbein schaffen können: saisonal, flexibel, wirtschaftlich extrem attraktiv.
Mein Glühweinstand hat mir in schweren Jahren schon mehrfach den Arsch gerettet
Kemal Üres
Seine Empfehlung an die Branche: Wer Fläche hat, sollte darüber nachdenken, selbst einen Glühweinstand, Mini-Weihnachtsmarkt oder ein winterliches Pop-up aufzubauen. Die Margen seien überdurchschnittlich, die Abläufe schnell zu erlernen, der Effekt auf die Bilanz deutlich. „Mein Glühweinstand hat mir in schweren Jahren schon mehrfach den Arsch gerettet“, sagt Üres offen. Wareneinsatz beim Glühwein? Rund 16 bis 20 Prozent – „in der Gastro nahezu einzigartig“.
Trotzdem: Ohne Team geht gar nichts. Zehn, zwölf Stunden am Stück in der Kälte sind nur mit Motivation und Zusammenhalt machbar. Üres betont, dass Mut im Moment mehr zählt denn je. „Wer jetzt kreative Ideen umsetzt, schafft Erlebnis – und Erlebnis setzt sich immer durch.“