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Gastro im Herzen

„Für mich ist das einfach der schönste Beruf der Welt“

Kochbuchautorin, Moderatorin und Unternehmerin: Zora Klipp ist ein wahres Multitalent. Im Interview spricht sie über die Liebe zur Gastronomie, ihr neues Restaurant und ihre neue Aufgabe als Ausbilderin 

23. September 2022

Eröffnet bald ihr zweites Restaurant in Hamburg: Köchin Zora Klipp / ©Juli Schneegans 
Eröffnet bald ihr zweites Restaurant in Hamburg: Köchin Zora Klipp / ©Juli Schneegans 

Zora, seit wann bist du in der Gastronomie tätig?

Ich habe in einem ganz kleinen familiengeführten, traditionellen Landhotel angefangen. Nach meinem Schulpraktikum in der neunten Klasse wurde mir dort eine Ausbildungsstelle als Köchin angeboten. Da war ich 17 Jahre alt, jetzt bin ich 32, das sind nun schon ein paar Jahre. So bin ich in der Branche gelandet und habe mich in diesem Umfeld sofort pudelwohl gefühlt.

Hattest du vorher schon Interesse am Kochen?

Ich hatte schon meine ganze Kindheit mit Lebensmitteln zu tun und alles von klein auf mitbekommen: von der Saat bis zur Ernte. Mein Papa ist gelernter Gärtner und wir haben zu Hause einen großen Garten. Auch meine Mutter arbeitet seit über zehn Jahren in der Gärtnerei. Wir sind so eine Öko-Familie. In der Küche stand ich immer gern. Dort ist immer viel passiert,  man musste sich konzentrieren – das war der einzige Moment, in dem ich meine Klappe halten konnte und still war. Ich habe einfach schon immer gerne kreativ gearbeitet.

Mit deinen Geschwistern hast du während der Pandemie, im Oktober 2020, ein eigenes Café eröffnet, die Weidenkantine. Welchen Herausforderungen musstest ihr euch stellen?

Ich war schon vorher selbstständig, das war für mich nicht neu. Ich kannte es, meine eigene Chefin zu sein. Die Verantwortung für meine Mitarbeiter zu tragen, war emotional die größte Reise. Die Weidenkantine führe ich mit meiner Schwester und meinem Bruder. Gemeinsam ein Unternehmen zu leiten, war für uns alle total neu. Man kommt teilweise an seine Grenzen.

Im kommenden Jahr eröffnet ihr einen weiteren Laden, das Blattgold, im ehemaligen SAAL II. Woher kam der Wunsch nach einem zweiten Standort?

Die Weidenkantine ist jetzt richtig schön im Flow. Dadurch, dass wir zu dritt sind, ist ein Café mit neun Tischen aber echt zu wenig. Finanziell brauchen wir da nicht drüber sprechen, da bleibt nichts hängen. Auch für den Workload: Für drei Inhaber:innen bleibt da viel Luft für viele Aufgaben. Also dachten wir uns: „Wir brauchen etwas zur Ergänzung, denn die Weidenkantine ist winzig, winzig klein.“ Uns fehlt es etwa an Lagerräumen und viele coole Anfragen können wir leider nicht annehmen, weil uns Kapazität fehlt. Dann haben wir nach einem weiteren Laden geschaut, waren dafür in ganz Hamburg unterwegs. Beim SAAL II hatte ich das erste Mal wieder Schmetterlinge im Bauch und dachte: „Das ist so eine geile Location, die brauchen wir.“

Wie teilt ihr euch die Aufgaben zu dritt auf?

Wir werden am Anfang viel da sein, um alles zum Laufen zu bringen. Meine Schwester kümmert sich komplett um das Personal, die Buchhaltung, Lizenzen und viel um Orga. Mein Bruder macht die Kommunikation mit den Vorbesitzern, Vermietern und die gesamte Konzipierung sowie Bauplanung und Projektleitung. Ich mache dann natürlich die Gestaltung des Menüs und den Außenauftritt. Nach und nach würde ich mich dann gern weiter rausziehen, weil ich zusätzlich meine Fernsehkarriere habe. Das eine bedingt das andere, je öfter ich im Fernsehen bin, desto besser laufen die Läden. Mir macht das extrem viel Spaß, man kann gutes Geld damit verdienen. Das ist ein schöner Ausgleich.

Unterscheidet sich das Konzept zur Weidenkantine?

Ich glaube, wir machen einfach ein richtig schönes, gemütliches Restaurant. Kein Fine Dining, aber ein Laden, in dem man das Gefühl hat, lecker essen zu können. So richtig herzerwärmend. Also ja, das Blattgold wird im Gegensatz zur Weidenkantine kein weiteres Café, sondern ein Restaurant mit Bar.

Ein zweites Restaurant spricht dafür, dass du von der Branche überzeugt bist. Warum machst du den Job so gern?

Alles in mir liebt das, was ich mache. Wenn ich abends am Handy daddel oder im Wartezimmer sitze oder egal, was mache: Ich bin immer auf Pinterest unterwegs, schaue mir neueste Rezepte an, schaue nach Kuchen und was ich als Nächstes backen kann. Ich kann es nicht abstellen – von morgens bis abends beschäftige ich mich mit Rezepten, Ideen und Events, die man machen könnte. Ich mache das einfach so, so gern! Ich freue mich, jeden Morgen aufzustehen, dass es wieder losgeht. Solange ich das fühle, schaffe ich das in diesem Pensum, räume mir aber immer ein paar Tage die Woche frei.

Braucht man die Liebe zur Gastronomie, um dort zu arbeiten?

Ich glaube, das ist in jedem Job so. Wenn du im Job unzufrieden bist, überträgt sich das auch auf dein privates Leben. In dieser Branche ist es aber extrem, weil die Umstände noch ein bisschen außergewöhnlicher sind. Man arbeitet abends oder am Wochenende und bewegt sich ein bisschen gegen den sozialen Zyklus. Du brauchst dieses Feuer und musst Aktionismus an den Tag legen. Man muss dafür brennen, sonst macht es keinen Spaß.

Und was braucht man sonst noch?

Talent. Und ein Händchen, ein bisschen Feingefühl, ein Auge für Ästhetik sowie einen kreativen Kopf. Man muss auch ein bisschen mutig sein und sich was trauen. So entstehen dann natürlich auch coole Rezepte.

Ist Erfahrung eine Voraussetzung?

Es ist natürlich von Vorteil. Je mehr Erfahrung jemand mitbringt, desto eher kann man in der Küche etwas anderes machen, als nur abwaschen oder Salat putzen. Ich glaube, an wichtigster Stelle steht aber die Motivation. Wenn du richtig Bock hast, jeden Morgen zehn Minuten vor dem Chef da bist, das Brett schon aufgebaut hast und mit einer sauberen Kochschürze da stehst, dann denk ich so: „Yo, okay. Der oder die hat Lust, legen wir mal los“. Auch mitschreiben und aufmerksam sein ist wichtig. Wenn ich das sehe, ist mir ganz egal, wie viel Erfahrung jemand hat.

Bildest du in der Weidenkantine aus?

Noch nicht. Ich bin zur Prüfung angemeldet und darf ab Februar Köch:innen ausbilden. Wir haben auch schon einen Azubi, der fängt im August 2023 bei uns an. Mit dem neuen Laden wollen wir noch mehr Azubis einstellen.

Was ist das Wichtigste, was ein Ausbilder braucht?

Geduld, Geduld, Geduld. Ich habe auch viele Aushilfen bei uns im Laden, die auch bei null anfangen. Manchmal wird nicht richtig zugehört, die Rezepte werden nicht richtig gelesen … man braucht wirklich viel Geduld. Man darf nicht vergessen, die sind teilweise erst 17 oder 18 Jahre alt. Die kommen gerade aus der Schule und haben noch viele andere Sachen im Kopf. Man weiß ja selber, wie das war.

Aber du freust dich auf die neue Aufgabe?

Es macht mega viel Spaß. Ich freue mich voll drauf. Das ist ja auch ein wichtiger Schritt im Leben: Wenn man die Schule beendet, was kommt danach? Meine Ausbildung hat mich sehr geprägt. Dass ich dann diejenige bin, die dazu beitragen kann, dass ein anderer Mensch einen guten Berufsweg geht, ist voll die Ehre. Auch eine große Aufgabe, aber sehr schön. Ich weiß, dass viele Ausbildungsbetriebe nicht gut sind. Mein Ziel ist es, ein richtig cooler Ausbildungsbetrieb zu werden.

Welche Stationen durchlaufen Auszubildende bei dir?

Wir sind ein Restaurant, das nur vegetarische Speisen anbietet. Deswegen würden wir unseren Azubis anbieten, dass sie in Restaurants oder Betrieben Praktika machen, die mit Fleisch arbeiten.

Thema Personalmangel: Wie sieht das bei dir in der Weidenkantine gerade aus?

Man muss einfach genug Zeit einplanen, wenn man weiß, dass eine Stelle frei wird. Wenn es spontan ist, ist das natürlich immer doof. Aber wir haben es uns einfach extrem zur Aufgabe gemacht, ein gutes und gesundes Arbeitsumfeld für unsere Mitarbeiter:innen zu kreieren. Dadurch haben wir eine starke Mitarbeiterbindung, die Leute arbeiten gern bei uns.

Wie schafft ihr ein gutes Arbeitsumfeld?

Mit kleinen Gesten. Im März war ich drei Wochen im Urlaub. Leider hat in dieser Zeit auch noch jeder einzelne Mitarbeiter unabhängig voneinander Corona bekommen. Dann waren nur noch eine Köchin und meine Schwester übrig. Die Köchin hat einfach 14 Tage am Stück durchgearbeitet. Danach hat sie von mir einen fetten Massage-Gutschein und einen riesengroßen Blumenstrauß bekommen. Einfach um ihr zu zeigen, dass das nicht selbstverständlich ist, ich das anerkenne und ihr extrem dankbar bin. Es sind Kleinigkeiten, die so einfach sind, bei denen die Mitarbeiter aber denken: „Das macht so Spaß hier.“ Es geht dabei nicht um den Geldwert, sondern die Aufmerksamkeit.

Wie sehr trifft dich die Energiekrise?

Ich kann nicht sagen, was da auf uns zukommen wird. Die Heizungen sind noch aus und wir lassen unser Leuchtschild aus. Aber der Herd läuft, die Kühlschränke laufen, die Gefriertruhe läuft, die Kaffeemaschine ist an. Wir können nicht noch mehr sparen, als wir es eh schon tun. Wir gehen bei den Preissteigerungen mit, die vom Großhändler vorgegeben werden. Man muss aber ein bisschen die Balance finden, was die Kund:innen noch zahlen.

Deine Einschätzung: Ist die Gastronomie ein Job mit Zukunft?

Ja, auf jeden Fall! Ich glaube, man hat in den letzten zwei Jahren gemerkt, wie sehr den Menschen etwas fehlt, wenn Kultur und Soziales wegfällt. Die Gastro gehört auf jeden Fall zum Socializing, zur Kultur. Das wird nicht wegfallen. Die Leute wollen immer essen gehen, Geburtstage feiern, Hochzeiten feiern – da braucht es immer Catering und Essen zu. Das Thema Essen beschäftigt uns drei- bis fünfmal am Tag – wir leben von Mahlzeit zu Mahlzeit.

Würdest du dich wieder für die Gastronomie entscheiden?

Ja, würde ich! Ich würde es auf jeden Fall wieder tun. Es ist sooo ein kreativer, facettenreicher Beruf. Man kann sich so wunderbar entfalten. Auch wenn man sich nicht selbstständig machen möchte: Es gibt mittlerweile so coole Konzepte da draußen. Für mich ist das einfach der schönste Beruf der Welt.

Portrait von Johanna Zobel

Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.

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